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Afghanistan Artikel - ein Umriss der aktuellen Situation

Im Anbetracht des andauernden Krieges in der Ukraine, in unserer unmittelbaren
Nachbarschaft, der schrecklichen Verbrechen, die aktuell vom Mullah-Regime im Iran gegen
die eigene Bevölkerung begangen werden und die damit verbundenen Proteste der mutigen
Bevölkerung, droht der Medienfokus sich ausschließlich auf diese Geschehnisse zu stürzen,
wobei die Verbrechen, die im östlichen Nachbarstaat durch die Taliban begangen werden,
scheinbar in Vergessenheit geraten.
Doch wie konnte es, trotz des mehr als 20jährigen Militäreinsatzes der Nato, überhaupt
zu einer so schnellen Machtübernahme der Taliban kommen ?
Im Zuge der Terroranschläge am 11.09.2001 kündigte der damalige US-Präsident
Geore W. Bush den Krieg gegen den Terror an. Rechtliche Grundlage hierfür war eine
Resolution des UN-Sicherheitsrats, welche sich gegen die Anschläge aussprach. Die Nato rief
den „Bündnisfall“ aus, was zur Folge hatte, dass sich Länder wie Deutschland,
Großbritannien und Italien am „Krieg gegen Terror“ beteiligten.
Das erste Opfer des „Krieges gegen den Terror“ sollte die afghanische Taliban-
Regierung sein, die sich weigerte gegen Al-Quaida vorzugehen.
Als erklärtes Ziel galt es, in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu
errichten. Die Taliban wurden zwar zunächst relativ schnell durch die Unterstützung der
Anti-Taliban-Koalition durch die Nato gestürzt, jedoch wurde die neu aufgebaute Regierung
stets durch Angriffe der so genannten „Neo-Taliban“ terrorisiert.
Im April 2021 entschied Präsident Biden, seine Truppen aus Afghanistan
zurückzuziehen, wobei sich die anderen stationierten Nato-Mächte auch für einen Rückzug
entschieden. Ohne die Unterstützung der Nato-Truppen erwies sich die afghanische
Regierung als äußerst instabil und verlor massive Teile ihres Staatsgebiets an die Taliban.
Daraufhin wurde eine friedliche Machtübergabe an die Taliban angekündigt. Jedoch flohen
die Staatsfunktionäre Afghanistans und überließen den Taliban somit die Macht. Nach der
Proklamation des „Islamischen Emirats Afghanistan“ am 15. August 2021 durch die Taliban
versuchten noch viel mehr Menschen zu fliehen, wobei viele ihr Leben ließen.
Laut Harald Kujat, Generalinspekteur der Bundeswehr, liegen die Gründe für das
Scheitern der afghanischen Regierung daran, dass die Operation Afghanistan auf politischer
Ebene gescheitert sei. Konkret heißt das, dass man es nicht geschafft hat, die afghanische
Bevölkerung zu demokratisieren.
Man habe versucht im „Hauruck-Verfahren“ eine Demokratie zu installieren, wobei
man die Afghanen zunächst überfordert habe und schließlich zu früh in die Unabhängigkeit
entlassen habe.
Zudem hätten die Nato-Mächte, die vor Ort waren, enger zusammen arbeiten müssen.
Hingegen hatte jeder Staat einen bestimmten Bereich zugeteilt bekommen. Im Falle
Deutschlands war dies der Aufbau einer Polizei. Hierbei habe es auch daran gefehlt, dass kein
Staat sich in der Verantwortung gesehen habe ein zentrales Komitee zu errichten.

Doch wie genau sieht der Alltag der afghanischen Bevölkerung nach mehr als einem
Jahr Taliban-Herrschaft nun aus ?
Zunächst einmal muss man verstehen, dass nach der Machtübernahme der Taliban
sowohl eine humanitäre als auch wirtschaftliche Krise ausbrach.
Laut einem Bericht von Human Rights Watch wurde die wirtschaftliche Krise vor
allem dadurch ausgelöst, dass andere Staaten ihre Hilfen für Afghanistan kürzten und
internationale Finanztransaktionen erschwert wurden. Diese Maßnahmen wurden aufgrund
der Menschenrechtsverletzungen der Taliban eingeleitet und hatten zur Folge, dass nun laut
HRW mehr als 90% der Afghanen unter Ernährungsunsicherheit leiden.
Laut Fereshta Abbasi, Researcherin für Afghanistan bei HRW, sei die afghanische
Bevölkerung Opfer eines „Menschenrechts-Alptraums“. Sie betont, dass es nun wichtig sei,
dass internationale Regierungen anfangen, sich aktiver um einen Umgang mit den Taliban
zu bemühen, ansonsten stehe der afghanischen Bevölkerung eine trostlose Zukunft bevor.
Vor allem die Afghaninnen mussten starke Menschrechtsbeschneidungen hinnehmen,
die zur Folge hatten, dass Frauen und Mädchen der Zugang zu weiterführenden Schulen
verwehrt wurde. Hinzu kommt, dass sich Frauen nicht mehr frei außerhalb ihres Wohnsitzes
bewegen dürfen, was bedeutet dass sie immer von einem männlichen Familienmitglied
begleitet werden müssen. In der Dokumentation „Das Gesetz der Taliban“ von Arte wird ein klares Bild davon
gezeichnet wie das Recht auf freie Meinungsäußerung besonders bei Frauen gezielt von den
Taliban unterdrückt wird. So wird hier eine von Frauen organisierte Demonstration grundlos
abgesagt und die beteiligten Frauen eingeschüchtert.
Generell müssen Oppositionelle befürchten, gefoltert und eingesperrt zu werden.
Nachdem Arte die Taliban-Polizei mit diesenVorwürfen konfrontierte, wiesen diese bloß alles
ab und behaupteten, dass es dafür kein Beweise gäbe.
Allgemein fühlt sich die afghanische Bevölkerung hin und her gerissen. Die Menschen
fühlen sich alleine gelassen vom Westen, der Nato und den ehemaligen demokratischen
Politikern des Landes. Allerdings ist der Großteil der Bevölkerung auch nicht mit dem
Vorgehen der Taliban einverstanden. Dies lässt die Afghanen in eine perspektivlose,
hoffnungslose Zukunft blicken.
Das Einzige, was im Moment für Afghanistan getan werden kann, ist, dass die
nationalen Regierungen auf die Taliban zugehen, auf Zusammenarbeit drängen und das
Land nicht isolieren. Dabei sollten die Regierungen stets auf Menschenrechte pochen und
dies als wichtigste Bedingung für die Zusammenarbeit darstellen.
Als Einzelnem bleibt einem die Möglichkeit bspw. NGOs und ihre Arbeit (z.B. das
„Straßenkindprojekt Afghanistan“) zu unterstützen, die trotz der Herrschaft der Taliban ihre
Arbeit fortsetzen und die versuchen, Kindern ein Perspektive durch Bildung aufzuzeigen und
Familien finanziell zu unterstützen.

 

LEONARD BRÜCKMANN
1/18/2023

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